Wird
Hofmanns Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente bei der Bundesversicherungsanstalt
(BfA) stattgegeben, erhält der Familienvater eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente
(BU-Rente) von 1546 Mark brutto. Bislang hatte er 8200 Mark monatlich
verdient. Jetzt wird es eng für Familie Hofmann.
Alfred
Hofmanns Situation ist kein Einzelschicksal. jeder vierte Deutsche
wird vor Erreichen des Rentenalters berufsunfähig. Ein Drittel der
Fälle sind auf Erkrankungen der Wirbelsäule, der Gelenke und der
Muskeln zurückzuführen.
Die
Gesetzliche Rentenversicherung zahlt die BU-Rente nur dann, wenn
die Gesundheit so beeinträchtigt ist, daß der Versicherte in seinem
bisherigen Beruf und in einer anderen, ihm zumutbaren Tätigkeit
nur noch weniger als die Hälfte des bisherigen Arbeitsentgeltes
erzielen kann. Weitere Voraussetzungen: der Versicherte muß erstens
mindestens fünf Jahre lang Pflichtbeiträge eingezahlt haben. Und
zweitens müssen in drei der letzten fünf Jahre Beiträge entrichtet
worden sein. Die durchschnittliche BU-Rente beträgt für westdeutsche
Arbeitnehmer nach letztem Stand (1 997) 1062 Mark pro Monat.
In
Ostdeutschland und bei Frauen liegen die Durchschnittswerte noch
deutlich niedriger. Die um einen Drittel höhere Erwerbsunfähigkeitsrente
(EU) wird nur gezahlt, wenn aus gesundheitlichen Gründen nicht einmal
mehr ein Siebtel der sogenannten monatlichen Bezugsgröße (Westdeutschland
1999: 4410 Mark) verdient werden kann. Das sind gegenwärtig 630
Mark im Monat. Bei der konkreten Ermittlung der Erwerbsminderungsrenten
BU und EU werden die Versicherungsdauer, eine Zurechnungszeit, die
Härtefälle abmildern soll, und die Höhe der gezahlten Beiträge berücksichtigt.
Klar
ist: Wer im Fall der Berufsunfähigkeit finanzielle Probleme vermeiden
möchte, muß sich privat versichern. Dennoch haben die meisten Deutschen
keine private BU-Versicherung, abgeschlossen. "Die meisten Befragten
führen an, daß sie kein Geld für eine Police übrig haben, noch nicht
über dieses Thema nachgedacht hätten oder glauben, sie persönlich
werde es schon nicht treffen", erläutert Bernhard Keller, Director
Research des EMNID-Instituts.
Unterschiedliche
Policen sorgen für Verwirrung
Tatsächlich
sind die Beiträge meistens nur deshalb zu hoch, weil die Vernittler
diesen Schutz häufig nur als BU-Zusatzversicherung (BUZ) in Verbindung
mit einer Kapitallebensversicherung (KLV) anbieten. Der Branchenführer
Allianz-Leben hatte beispielsweis Ende letzten Jahres über 2,2 Millionen
Verträg als BUZ, aber nur 6558 Policen als selbständige BU-Versicherungen
im Bestand. Der Grund: Mit dem Kombiprodukt erzielt der Vermittler
höhere Provisionen als beim Verkauf einer selbständigen BU-Versicherung.
Und die Versicherungsgesellschaft erwirtschaftet höhere Geldzuflüsse.
Dabei wird der BU-Schutz nicht nur für viele unerschwinglich. Das
Kombi-Produkt birgt auch noch einen großen Nachteil: "Stellt der
Versicherte die Kapitallebensversicherung aufgrund eines finanziellen
Engpaßes beitragsfrei, erlischt meist auch der Versicherungsschutz
der BUZ", warnt Phillipp Härle, Rechtsanwalt in der Kanzlei Tilp
& Kälberer bei Tübingen. Er rät deshalb von dieser Variante ab.
Grundsätzlich
ist die BU in vier Varlanten versicherbar - pur, sowie in Kombination
mit Risikolebensversicherung, Kapitallebensversicherung oder einer
Fondspolice. Das Problem: Weil Anbietet und Produktvielfalt zunehmen
und die ohnehin komplexen Vertragsbedingungen häufig geändert werden,
lassen sich Vergleiche nicht leicht durchführen. Für Interessenten
ist es äußerst schwierig, eine "optimale" BU zu finden, in den Vertragsbedingungen
Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen. "Wirklich wichtig für
den Kunden sind diejenigen Teile des Vertrages die die Voraussetzungen
bestimmen, wann die Versicherung überhaupt zahlt", betont Michael
Franke, Geschäftsführer von Franke & Bornberg, in Hannover.
"Die
größte Unsicherheit für den Versicherten ergibt sich aus der Möglichkeit
des Versicherers, ihn auf eine Tätigkeit zu verweisen", weiß Wolfgang
Römer, Richter am Bundesgerichtshof. Hinter diesem Unwort verbirgt
sich die Tatsache, daß die Versicherung die Zahlung verweigern kann,
wenn der in seiner bisherigen Arbeit Berufsunfähige eine andere
Tätigkeit ausüben kann. Diese Tätigkeit darf den Versicherten allerdings
in seiner sozialen Stellung und in seiner Einkommenssituation nicht
spürbar verschlechtern. Das macht die Sache häufig kompliziert.
"Aufgrund des großen Interpretationsspielraums kommt es in der Praxis
zu Rechtsstreitigkeiten", erläutert Rechtsanwalt Härle. So klagte
ein Oberarzt, der nicht weiter in der ihm verwiesenen Tätigkeit
als Gynäkologe arbeiten wollte. Das Gericht lehnte ab. Der Beruf
des Gynäkologen bedeute keinen Abstieg seiner Lebensstellung und
sei ihm deshalb zuzumuten. Dagegen durfte eine Versicherung, den
Mitinhaber einer Tischlerei nicht auf den Job als Verkäufer in einem
Baumarkt verweisen und mußte zahlen.
Ein
Kriterium bei der Auswahl der Versicherung ist deshalb, ob die Gesellschaft
weitgehend auf eine Verweisung verzichtet. Gute Versicherer bieten
zudem in der Zeit zwischen Krankheit und Feststellung der Berufsunfähigkeit
trotz Beitragsstundung weiter Versicherungsschutz an. Das ist wichtig:
Denn ob die BU vorliegt, wird in einem Prüfverfahren ermittelt,
das sich bis zu zwei Jahre hinziehen kann. In dieser Zeit muß der
Betroffene seine Versicherungsbeiträge aus dem Krankentagegeld bezahlen.
Kann er sie nicht aufbringen, erlischt bei einigen Policen auch
der BU-Versicherungsschutz. Zum Teil nutzen Versicherer die finanzielle
Notlage aus und drängen den Berufsunfähigen dazu, eine niedrige
Leistung zu akzeptieren.
Fazit:
Eine private BU-Absicherung ist wichtig. Um ganz auf der sicheren
Seite zu sein, sollte zusätzlich eine Rechtsschutzversicherung -
bei einem anderen Anbleter - beschlossen werden.
Quelle:
Ulrich Lohrer in Sonderdruck aus FINANZEN 09/1999
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